Kriegsursachen
und Konfliktverläufe: Das Beispiel Kongo
1.
Einleitung
·
Vorbemerkung zur Form
· Erkenntnisinteresse
2. Hintergrund: die Demokratische Republik Kongo im Überblick
·
Geschichte: Vorkolonial
· Geschichte: Aus Belgisch- Kongo wird Zaire
· Geschichte: Aus Zaire wird die Demokratische Republik
Kongo
· Bevölkerungsstruktur
3. Einfluß- und Interessensphären im Kongo
·
Kolonialmächte
· Anrainerstaaten
· Tribalismen
· Sonstige
4. Konfliktverläufe seit 1996- Ursachen, beteiligte
Parteien und ihre Intentionen
·
Der Import des Ruanda- Burundi- Problems
· Der Krieg der AFDL gegen Mobutu
· Der Krieg der RCD (und Alliierter) gegen Kabila (und
Alliierte)
5. Kriegsursachen und Hintergründe
·
"Stammesfehde" und "Erbfeindschaft": Die Batutsi-
Bahutu- Kriege
· Kabila: Der sozialistische Revolutionär?
· Wer unterstützt wen warum?
6.
Zusammenfassung
I
Einleitung
Vorbemerkung
zur Form
Die Demokratische Republik Kongo, also das ehemalige Zaire, wird
im folgenden der Einfachheit halber meist als "DR Kongo"
oder nur als "Kongo" bezeichnet. Wo Kongo- Brazzaville
gemeint ist, wird dies ausdrücklich hervorgehoben. Ferner
werden afrikanische Ethnien -wenn möglich- nicht mit dem
europäisierten sondern mit dem ursprünglichen Namen
bezeichnet. Also beispielsweise nicht "Hutu" oder "Tutsi",
sondern im Singular "Muhutu" bzw. "Mututsi",
im Plural "Bahutu" usw.
Weiterhin wird in der Regel - allgemeinem Sprachgebrauch folgend-
die männliche Form benutzt. Also weder "PolitikerInnen"
noch "Politikerinnen und Politiker", sondern schlicht
"Politiker". Dies soll nicht der Diskriminierung sondern
der leichteren Lesbarkeit dienen.
Erkenntnisinteresse
Ziel dieser Hausarbeit ist, am Beispiel des Bürgerkrieges
in Zaire bzw. der Demokratischen Republik Kongo mögliche
Ursachen und Verlaufsformen eines kriegerischen Konfliktes aufzuzeigen.
Die Demokratische Republik Kongo bietet sich hier als Beispiel
an: Die jüngsten Bürgerkriege scheinen äußerst
multikausal: Je nach Standpunkt des Betrachters sind sie möglicherweise
als lokale Territorialstreitigkeiten, Folge von ethnonationalen
Konflikten oder späte Auswirkungen der Kolonialzeit aufzufassen.
Um diese Vielschichtigkeit erfassen zu können, wird zu Beginn
der Hausarbeit zunächst die historische Entwicklung des Gebietes
seit Beginn der Kolonisierung dargestellt. Hier möglicherweise
verborgene Ansätze zu Konfliktursachen sollen herausgearbeitet
werden. Das beinhaltet auch einen Überblick über nationalstaatliche
und wirtschaftliche Einfluß- und Interessensphären
auf dem Gebiet der heutigen DR Kongo. Im Anschluß hieran
werden die Beteiligten der jüngeren Konflikte (also des Krieges
der AFDL gegen Mobutu und der RCD gegen Kabila) mit ihren Intentionen
vorgestellt und die Verläufe dieser Konflikte grob skizziert.
Vor diesem Hintergrund sollen schließlich mögliche
Kriegsursachen diskutiert werden. Ein besonderer Schwerpunkt wird
dabei auf der Frage liegen, ob der Bahutu- Batutsi- Konflikt sich
tatsächlich auf eine seit Jahrhunderten schwelende "Erbfeindschaft"
zurückführen läßt, also Multiethnizität
und Tribalismen Kriegsursachen sind.
Auch die Frage, ob und inwiefern Kabila und die AFDL als siegreiche
sozialistische Revolutionäre zu betrachten sind, soll behandelt
werden.
Abschließend wird der Versuch unternommen, die Kriege auf
ihre "Grundursache" zurückzuführen und entflechtend
darzustellen, was Kriegsursache war, was Anlaß und was begünstigende
Faktoren
II
Hintergrund: Die DR Kongo im Überblick
Geschichte:
Vorkolonial
Auf dem Gebiet des heutigen Kongo sind frühe Werkzeuge aus
der Zeit um 7000 v. Chr. gefunden worden. Man geht jedoch davon
aus, daß zwischen 2500 und 500 v. Chr. bantusprachige Hackbauern
zugewandert sind, von denen sich die heutigen Bahutu ableiten.
Seit dem 13. Jahrhundert sind Batutsi- Rinderhirten aus dem Nilgebiet
hinzugekommen.
Vom 13. bis zum 19. Jahrhundert n. Chr. entstehen und zerfallen
in dieser Region diverse Königreiche, darunter das später
namensgebende "Kongo". 1482 erreicht der Portugiese
Diego Cao den Kongo- Strom und "entdeckt" das Land.
An seiner Namensgebung "Nzadi" orientiert sich der spätere
Name "Zaire".
Wie auch in weiten anderen Teilen Afrikas wird in den folgenden
Jahrhunderten ein Großteil der Bevölkerung als Sklaven
nach Übersee verschleppt.
Von 1879 bis 1885 erwirbt der Afrikaforscher Sir Henry Stanley
das Gebiet im Auftrag des belgischen Königs Leopold II. Nachdem
die Kolonialmächte auf der1885 stattfindenden Berliner Konferenz
die Grenzen abgesteckt haben, kommt es zur Gründung des Kongo-
Freistaates. Dieser befindet sich de facto im Privatbesitz Leopolds
II, der zwar selbst nie den Fuß in seinen tropischen Garten
setzt, die Bevölkerung aber mißhandeln und zu schwerer
Zwangsarbeit pressen läßt.1
Geschichte:
Aus Belgisch- Kongo wird Zaire
Nach schwerer Kritik an dem Umgang Leopolds II mit "seinem"
Land und "seinen" Menschen und nach dem Tod des Monarchen
übernimmt 1908 der belgische Staat das Gebiet und fügt
es als "Belgisch- Kongo" in seinen Kolonienbesitz ein.
In beiden Weltkriegen spielt der Kongo eine wesentliche Rolle:
Im ersten wollen die Deutschen ihn unbedingt annektieren, im zweiten
versorgt er unter die Anti- Hitler- Koalition unter anderem mit
Uran für das amerikanische Atombombenprogramm.
Als 1958 schwere Unruhen in der Hauptstadt ausbrechen, befürchtet
Belgien den Beginn eines Dekolonisationskrieges und kommt dem
zuvor: 1960 entläßt es die Kolonie hastig in die Unabhängigkeit.
In demokratischen Wahlen wird Joseph Kasavubu zum Staatspräsidenten
und Patrice Lumumba zum Ministerpräsidenten gewählt.
Wenig später erklärt sich die Provinz Katanga für
unabhängig, ein Sezessionskrieg beginnt. Lumumba richtet
ein Hilfeersuchen an die Sowjetunion. Das diskreditiert ihn in
den Augen der westlichen Welt als "Kommunisten". In
der Folge wird er von dem Armeestabschef Joseph- Désiré
Mobutu mit Unterstützung der USA entmachtet. Bald darauf
wird Lumumba ermordet, eine prowestliche Regierung eingesetzt,
der Sezessionskrieg siegreich beendet.
1964 kommt es zur "Simba- Rebellion", einem Aufstand
radikaler Lumumba- Anhänger. Unter Ihnen befindet sich auch
Laurent- Désiré Kabila. Die Rebellion gipfelt in
der Ausrufung einer "Volksrepublik Kongo", wird aber
mit belgischer und US- amerikanischer Militärhilfe schließlich
blutig niedergeschlagen.
Währenddessen wird eine neue Zentralregierung eingesetzt,
knapp ein Jahr später aber durch einen CIA- unterstützten
Militärputsch, der endgültig General Mobutu an die Macht
bringt, wieder beseitigt. Es folgt eine Afrikanisierung von Namen:
Aus der Demokratischen Republik Kongo wird Zaire, aus Joseph-
Désiré Mobutu wird Mobutu Sese Seko.
Mobutu strukturiert seine Herrschaft äußerst personalistisch,
verfolgt jeden Widerstand blutig, chaotisiert das Land teilweise
planmäßig und scheint als Hauptziel seine persönliche
Bereicherung sowie die seiner Klientel zu verfolgen. Schnell wird
seine Herrschaftsform daher als "Kleptokratie" bezeichnet.
Geschichte:
Aus Zaire wird die DR Kongo
Auch im Westen steht man Mobutu zunehmend skeptischer gegenüber.
Hat man 1977 noch Militäraktionen unternommen, um ihm bei
Kriegen in Katanga beizustehen, verliert der einst so wichtige
Verbündete mit dem Ende des Kalten Krieges zunehmend an Bedeutung
und Ansehen. Lediglich Frankreich, gegenüber dem er sich
als Hüter des frankophonen Afrika und Bewahrer französischer
Kultur jenseits des Äquators zu profilieren versucht, hält
ihm noch die Treue.
Unter dem Druck schwindender internationaler Anerkennung verkündet
Mobutu 1990 den Übergang zur "Dritten Republik"
und verankert das Mehrparteiensystem in der Verfassung. Gleichzeitig
intensiviert er die schon seit Jahren betriebene Diskriminierung
der ruandophonen Batutsi- Völker in den Grenzregionen.
In den Folgejahren werden mehrfach Übergangsregierungen gebildet,
Sezessionsbestrebungen Katangas beginnen wieder aufzuflackern,
es finden Massenvertreibungen des Baluba- Volkes aus Katanga und
Pogrome gegen Bahutu und Batutsi in der Provinz Kivu statt. Vor
allem im Osten des Landes entstehen mehrere de facto autonome
staatsähnliche Gebilde. 1994 wird Zaire von der IWF- Mitgliedschaft
suspendiert: Das Land zeigt deutliche Zerfallserscheinungen.
Im gleichen Jahr sorgt jedoch der durch den Völkermord in
Ruanda und Burundi verursachte Zustrom von etwa 1,5 Millionen
Bahutu- Flüchtlingen dafür, daß Mobutu auf internationalem
Parkett wieder gesprächsfähig wird. Zugleich wird der
Bahutu- Batutsi- Konflikt importiert - eine Entwicklung, auf die
später noch eingegangen werden soll.
1996 erheben sich die ruandophonen Banyamulenge (Batutsi) gegen
ihre fortgesetzte Diskriminierung und gegen die geplante Vertreibung.
Gleichzeitig wachsen die Spannungen zwischen Ruanda und Zaire,
es kommt zu ersten Grenzgefechten.
Im Oktober schließen sich die Banyamulenge mit verschiedenen
anderen Kräften, darunter Lumumbisten, Katanga- Gendarmen
und weitere Batutsi- Völker, zur "Alliance des Forces
Démocratiques pour la Libération du Congo (Zaire)"
(Allianz der demokratischen Kräfte zur Befreiung des Kongos,
AFDL) zusammen. Ihr Sprecher wird Laurent- Désiré
Kabila. Die AFDL wird offen oder verdeckt unterstützt von
Ruanda, Uganda, Angola, Südafrika und den USA, während
Mobutu sich auf angolanische UNITA- Rebellen, eilig angeworbene
Söldner und französische Sympathien stützt. Trotzdem
hat seine seit Monaten nicht bezahlte Armee den AFDL- Kämpfern
wenig entgegenzusetzen. Knapp ein halbes Jahr nach ihrer Gründung
marschiert die AFDL am 17. 5. 1997 in der Hauptstadt Kinshasa
ein. Mobutu flieht und stirbt im Exil, Kabila wird zum neuen Präsidenten
ausgerufen und der Staat in "Demokratische Republik Kongo"
zurückbenannt.
Wenig später ergeht ein Verbot politischer Betätigung
außerhalb der AFDL. Kritik an der diktatorischen Machtfülle
Kabilas und Gerüchte über Massaker der AFDL an Bahutu-
Flüchtlingen kommen auf. Innerhalb der AFDL wird die Macht
bedeutender Batutsi- Vertreter stark beschnitten. In der Folge
erheben sich im August 1998 in den östlichen Landesteilen
Batutsi- Rebellen, die von Ruanda, Uganda und Burundi unterstützt
werden. Nach verschiedenen Militärhilfeersuchen kämpfen
auf Kabilas Seite Soldaten aus Angola, Simbabwe und dem Tschad,
Libyen leistet logistische und militärtechnische Hilfe. Bei
Abschluß dieser Hausarbeit kontrollieren die RCD- Kämpfer
rund ein Drittel des Staatsgebietes, nicht aber die Bergbau- und
Industriezentren.
Bevölkerungsstruktur
Die Bevölkerungsstruktur des Kongo ist nichts weniger als
homogen: Die Angaben über die Anzahl der auf dem Staatsgebiet
lebenden Ethnien schwanken zwischen 260 und 3652. Etwa 80 % davon
sind Bantuvölker, der Rest Sudan- und nilotische Völker.
Auch eine Pygmäenminderheit existiert. Als wichtigste Großgruppen
führt das "Internationale Handbuch- Länder Aktuell"
folgende auf (in Klammern die Verbreitungsgebiete): "Baluba
(Kasai, Katanga, Kinshasa; 18%), Bakongo (Kinshasa- Atlantik,
auch in Kongo und Angola; 16%), Mongo (v. a. am Kongo- Strom und
dessen südlichen Nebenflüssen sowie in Kinshasa;14%)
sowie Hutu und Tutsi (in Nord- und Süd- Kivu, Hauptethnien
in Ruanda und Burundi; 11%)"3 Die Bevölkerung ist keineswegs
gleichmäßig verteilt: In Kinshasa leben ca. 5 Millionen
Menschen, auch das Gebiet der Großen Seen ist recht dicht
bevölkert, dafür sind im Zentrum weite Landstriche fast
menschenleer.
Die Mischung könnte Konfliktpotential bergen: Zwar hatten
mit der Unabhängigkeit ALLE Einwohner die zairische Staatsbürgerschaft
erhalten, doch schildert Hildegard Schürings: "Im Jahre
1981 wurde ein Gesetz erlassen, daß gewissen Bevölkerungsgruppen
die Staatsangehörigkeit aberkannte. Einheimische wurden zu
Fremden erklärt - und somit die Auseinandersetzungen um die
begrenzten wirtschaftlichen Ressourcen geschürt. 1993 versagte
man Vertretern der rwandophonen Bevölkerung den Zutritt zur
Nationalkonferenz mit der Begründung, sie seien keine Zairer."4
Die Separationsversuche hatten Folgen: Die solcherart Ausgegrenzten
schlossen sich enger zusammen und begannen nun tatsächlich,
ein eigenes, nicht- zairisches Identitätsgefühl zu entwickeln.
Deutlich wird das unter anderem daran, daß sie um diese
Zeit begannen, sich "Banyamulenge" (i.e. "Die,
die auf dem Höhenzug Mulenge leben") zu nennen.
Auch ansonsten gab es mitunter Verständigungsprobleme, Rivalitäten
und andere Konflikte zwischen verschiedenen Ethnien, die teilweise
auch gewaltsam ausgetragen wurden. Zwischen Bahutu und Batutsi
scheinen solche Konflikte im Kongo nicht signifikant häufiger
vorgekommen zu sein, als zwischen anderen Völkern. Im Gegenteil:
Trotz unterschiedlicher Herkunft (Bahutu: Bantuvolk, Batutsi:
Niloten) und traditioneller Beschäftigungen (Bahutu: Bauern,
Batutsi: Rinderhirten) haben die Völker - wohl infolge des
engen Zusammenlebens über lange Zeit - mehr Gemeinsamkeiten
als Unterschiede. Schürings schreibt dazu: "Es kann
nicht oft genug wiederholt werden, Bahutu, Batutsi und Batwa haben
die gleiche Kultur, die gleiche Sprache, die gleiche Religion
und eine Jahrhunderte alte gemeinsame Vergangenheit. Es gibt viele
Familien, die sich aus diesen Gruppen zusammensetzen."5 Allgemein
wird der Anteil binationaler beziehungsweise biethnischer Familien
gern als Maßstab für Integration benutzt. Wenn Schürings
also ausdrücklich viele Familien erwähnt, spricht dies
durchaus für ein größtenteils friedliches Zusammenleben
dieser beiden Völker.
III
Einfluß- und Interessensphären im Kongo
Kolonialstaaten
Naturgemäß haben Kolonialstaaten ein Interesse daran,
wie die Bedingungen in ihren (ehemaligen) Kolonien sind. Dies
betrifft nicht in erster Linie humanitäre Aspekte: Ein "begleiteter
Weg in die Unabhängigkeit" bedeutet nicht etwa, daß
den Bürgern einer ehemaligen Kolonie behutsam westliche Begriffe
von Staatenlenkung, Menschenwürde und Demokratie vermittelt
würden, vielmehr geht es um die Wahrung wirtschaftlicher,
strategischer und logistischer Vorteile. Neben dem Wohlergehen
eigener Staatsbürger, die (noch) in der ehemaligen Kolonie
leben, sind symbolische Werte - wie etwa die Wahrung der eigenen
Sprache und Kultur in diversen Teilen der Welt - weitere Bande,
die die ehemaligen Kolonisatoren mit ihren ehemaligen Kolonien
verbinden.
In diesem Sinne hat zunächst das den Kongo ursprünglich
kolonisiert habende Land, Belgien, relativ weitreichende Interessen
im Kongo:
·
Zunächst ist es Haupthandelspartner des Kongo: 1995 gingen
36% der aus dem Kongo exportierten Waren nach Belgien, aus Belgien
kamen 15% der kongolesischen Importe. Damit steht Belgien mit
deutlichem Abstand an der Spitze der Handelspartner.6
· Auch im einzelnen ist der Kongo für belgische Firmen
ein gutes Geschäft: Die Bergbaugesellschaft Union Minière
war vor 1967 im Kongo führend und beteiligt sich seit 1995
wieder an Gemeinschaftsprojekten mit dem staatlich- kongolesischen
Bergbaukonzern GECAMINES. Mit seinen "unermeßlichen
Vorkommen von Kupfer, Kobalt, Schmuck- und Industriediamanten,
Gold, Silber, Erdöl, Kohle, Zink, Zinn, Kadmium, Mangan,
Wolfram, Germanium, Uran etc."7 bietet der Kongo Bergbaugesellschaften
nicht zu unterschätzende Profite.
· Ebenso wie der Rohstoffluß wird auch der Geldfluß
maßgeblich von Belgien mitbestimmt: "Die Geschäftsbanken
befinden sich meist unter ausländischer Kontrolle. Herkunftsländer
sind v. a. Belgien, Frankreich, die USA und Südafrika. Zu
nennen sind u. a. die Banque Commerciale Congolaise, die Fransabank,
die Citibank und die Stanbic Bank."8
· Weiterhin existiert im Kongo eine zahlenmäßig
recht starke belgische Minderheit.
Belgische Mitbestimmungsansprüche lassen sich auch daran
ablesen, daß es -neben US- amerikanischen- hauptsächlich
belgische Fallschirmjäger waren, die 1965 den Simba- Aufstand
niedergeschlagen haben.
Doch
nicht nur Belgien hat aus der Kolonialzeit Ansprüche und
Interessen bewahrt: Auch französische Banken sind im Kongo
aktiv, in der Liste der wichtigsten Handelspartner steht Frankreich
bei Ein- und Ausfuhr immerhin noch auf Platz sieben. Für
Frankreich ist wohl auch die strategische Bedeutung eines in Afrika
derart zentral gelegenen Landes nicht zu unterschätzen. Und
schließlich kommt hier der kulturelle Faktor hinzu: Der
Kongo stellt sozusagen den Brückenkopf des frankophonen Afrika
dar. Und das gleich in zwei Richtungen: Nach Osten und nach Süden.
Entsprechend skeptisch werden in Frankreich somit auch Bestrebungen
in der AFDL aufgenommen, neben Französisch auch noch Englisch
als Amtssprache zu etablieren.9
Anrainerstaaten
Unter diesen Begriff fallen im engeren Sinne Uganda, Ruanda, Burundi,
Tansania, Sambia, Angola, Kongo- Brazzaville, die Zentralafrikanische
Republik und der Sudan. Es liegt auf der Hand, daß nicht
das komplexe Beziehungsgeflecht zu jedem einzelnen dieser Staaten
genau beleuchtet werden kann, sondern vielmehr lediglich ein grober
Überblick über die Hauptinteressen gegeben wird.
In
Ruanda und Burundi fand 1994 ein regelrechter Völkermord
der Bahutu- Mehrheit an der Batutsi- Minderheit statt. Mit Unterstützung
Ugandas und der weitgehend Batutsi- dominierten Armee konnte diese
sich jedoch behaupten und die Regierungsgewalt übernehmen.
Folge waren zwei immense Flüchtlingswellen: Erst Batutsi
auf der Flucht vor den Mördern, dann Bahutu auf der Flucht
vor der Rache der siegreichen Partei. Unter der Herrschaft Mobutus
in Zaire wurden die Bahutu- Milizen zumindest logistisch, zuweilen
sogar direkt militärisch unterstützt: In den Flüchtlingslagern
konnten sie sich reorganisieren und -entgegen dem UNO- Beschluß
eines Waffenembargos- mit Waffen versorgen. Zaire diente als Rückzugsgebiet
und Basis für kleinere Angriffe auf insbesondere ruandisches
Gebiet. Dies schuf natürlich Aversionen, die auch durch die
von Mobutu fortgesetzt betriebene Diskriminierung der ruandophonen
Bevölkerung nicht geringer wurden. Für den September
1996 weiß die Chronik des "Internationalen Afrikaforums"
erstmals von "Meldungen [...], wonach die Streitkräfte
Zaires und Ruandas direkt aufeinandergestoßen waren"10.
Mit der Begründung, allein in der Diskonkordanz zwischen
staatlichen und ethnischen Grenzen, verursacht durch die völlig
willkürliche Zerstückelung Afrikas durch die Kolonialmächte
auf der Berliner Konferenz von 1884/85, seien die Ursachen der
Konflikte zu sehen, hat der ruandische Präsident, Pasteur
Bizimungu, 1996 eine "Berlin II - Konferenz" gefordert,
um dem Mißstand abzuhelfen. Da in Uganda, Ruanda und Burundi
die Batutsi die Regierung dominieren und in Ostzaire die größte
Bevölkerungsgruppe stellen, sind Befürchtungen, hinter
"Berlin II" stecke der Plan zur Erschaffung eines Großreiches,
aufgekommen.
Tansania hingegen ist in dem Konflikt kaum in Erscheinung getreten,
hier beschränkt man sich in aller Regel auf Versuche der
Kanalisierung und Repatriierung der durch Völkermord in Ruanda
und Burundi und Bürgerkrieg in Zaire evozierten Flüchtlingsströme.
Auch Sambia ist in diesem Konflikt bisher kaum in Erscheinung
getreten und zeigt auch keine Neigung, das in naher Zukunft zu
tun.
Anders sieht das mit Angola aus. In diesem Land tobt seit Jahrzehnten
ein Bürgerkrieg zwischen der ehemals sowjetisch und kubanisch
unterstützten Regierungspartei MPLA und der prowestlichen
Unabhängigkeitsorganisation UNITA. Ein 1994 eingeleiteter
"Friedensprozeß zwischen Regierung und UNITA gilt als
weitgehend gescheitert"11. Die UNITA konnte unter Mobutu
ebenso auf Waffen aus Zaire rechnen wie auf logistische Unterstützung.
Auch gingen nach Behauptungen der MPLA mehrere UNITA- Angriffe
von zairischem Territorium aus. Im Gegenzug nahm die MPLA mit
ihrer Unterstützung der AFDL auf ihrem Vormarsch gegen Mobutu
ihrem eigentlichen Gegner, der UNITA, den Rückzugsraum.
Mit dem Sudan verhält es sich ähnlich: Seit 1989 kämpft
die Regierung gegen die Rebellenorganisation SPLA. Diese benutzt
Uganda und den Kongo als Rückzugsräume, weshalb es sich
für die sudanesische Regierung auszahlt, sich mit Kabila
gut zu stellen.
Kongo- Brazzaville und die Zentralafrikanische Republik wiederum
halten sich bisher weitgehend aus den Konflikten in der DR Kongo
heraus.
Tribalismen
Wesentliches zu diesem Punkt wurde schon unter "Bevölkerungsstruktur"
genannt. Zur Erinnerung seien die wichtigsten Punkte nochmals
hervorgehoben:
· An die 300 verschiedene Ethnien in der DR Kongo, daher
natürlich ein gewisses Konfliktpotential um Land, Vieh, Weiderechte
etc.
· In Ballungsräumen hohe Bevölkerungskonzentrationen
· Dennoch keine genuine Feindschaft zwischen Bahutu und
Batutsi, vielmehr eine gemeinsame Kultur und rege interethnische
Kontakte
· Unter Mobutu fortgesetzte Diskriminierung der ruandophonen
Batutsi- Bevölkerung im Osten, daher engerer Zusammenschluß,
Konstituierung als "Banyamulenge" und Rebellion
In Anbetracht dieser Tatsachen, ferner in Anbetracht der Tatsache,
daß "die" Bahutu" bzw. "die" Batutsi
als Idealtypen nicht existieren, sondern vielmehr Oberbegriffe
für weit verstreute verschiedene Ethnien sind, erscheint
es nicht sinnvoll, sich zu Sätzen wie "Die Batutsi wollen
ihr Großreich" oder "Die Bahutu wollen das Batutsi-
Volk ausrotten" hinreißen zu lassen. Bahutu und Batutsi
als die vordergründigen Hauptakteure dieser Konflikte erscheinen
viel zu heterogen, um ihnen als Gesamtheit Interessensphären
zuzuschreiben. Ugandas Präsident Yoweri Museveni stellte
1996 klar: "Wäre die Homogenität der Menschen Garant
für Frieden, dann hätten wir in Somalia keine Probleme.
Dort gibt es nämlich nur einen Stamm mit einer Sprache und
einer Religion. Aber in Somalia sind es die Familienclans, die
sich bekämpfen. Ich leugne den Tribalismus nicht. Aber er
ist in diesen Auseinandersetzungen nicht das Hauptproblem. Der
wahre Grund für den Krieg sind Armut, die mageren Ressourcen,
vor allem aber die unterentwickelte Struktur der afrikanischen
Gesellschaft."12 In der Analyse der Kriege seit 1996 wird
nochmals genauer darauf eingegangen werden, warum Tribalismus
allenfalls ein Auslöser, nicht jedoch die Ursache sein konnte.
Sonstige
Auf der Liste der sonstigen Staaten, deren Interessen in den Kriegen
in der DR Kongo entschieden werden, stehen die USA ganz oben.
Haben sie in den sechziger Jahren aus strategischen Überlegungen
Mobutu an die Spitze der jungen Republik geputscht und seither
mit Geld und Waffen verteidigt, kamen später andere Überlegungen
zum Tragen: Nach dem Ende des Kalten Krieges verlor der Kongo
zusehends an geostrategischer Bedeutung. Auch Mobutu, dem man
als Verbündetem manches nachgesehen hatte, geriet auf internationalem
Parkett immer mehr in die Isolation. Schließlich stand er
-trotz der Tatsache, daß er seine Macht wesentlich den USA
zu verdanken hatte- weit deutlicher unter dem Einfluß Frankreichs
- das ihn auch als einzige westliche Macht zuletzt noch stützen
wollte. Die USA unterstützten also Kabila und seine AFDL
- und gewannen: US- Banken gehören heute zu den führenden
Geldhäusern im Kongo, Frankreichs Vorherrschaft in Afrika
ist zumindest eingedämmt, Kabila hat mittlerweile Bekenntnisse
zu Liberalismus und Marktwirtschaft abgelegt, auf der Liste der
Haupthandelspartner stehen die USA als Abnehmer an zweiter und
als Lieferanten immerhin noch an vierter Stelle und damit in beiden
Fällen noch vor Frankreich. Und auch auf anderen Ebenen hat
sich das US- Engagement gelohnt: "Bei Überwindung des
Systems der Korruption bergen die Bodenschätze ein gewaltiges
Entwicklungspotential. Förderung und Export hängen auf
absehbare Zeit stark von Konzernen und Experten aus Industriestaaten
ab. Bergbau- und Vermarktungskonzessionen vergab die AFDL bevorzugt
an Unternehmen aus den USA und Kanada. Besonderes Aufsehen erregte
das im April 1997 vereinbarte 1-Mrd.- US$- Engagement des US-
Unternehmens American Mineral Fields International aus Hope, dem
Heimatort von Bill Clinton im Bundesstaat Arkansas.Dabei geht
es um den Abbau von Kupfer, Kobalt und Zink [...] Das Vermarktungsmonopol
der Central Selling Organisation des südafrikanischen De-
Beer- Konzerns für die v. a. in Kasai geförderten Diamanten
wurde zugunsten eines Auktionssystems aufgehoben. Große
Erwartungen werden von internationalen Investoren (u. a. Chevron
aus den USA) an die Prospektion von Erdöl im Gebiet der großen
Seen geknüpft."13
Weiterhin treten momentan Libyen, Simbabwe und der Tschad als
mitkämpfende Parteien in Erscheinung. Ist die Erklärung
im Fall Libyen noch recht einfach -der geächtete Revolutionsführer
Gaddafi ist ohnehin ständig auf der Suche nach Verbündeten-
gestaltet sie sich beim Tschad und bei Simbabwe etwas schwieriger.
Beide Länder haben jedoch innenpolitisch schwere Probleme
und vereinzelt ist schon spekuliert worden, man wolle die Armee
beschäftigen und einstweilen außer Landes haben.
IV
Konfliktverläufe seit 1996- Ursachen, beteiligte Parteien
und ihre Intentionen
Der Import des Ruanda- Burundi- Problems
Die über Jahre hinweg schon angespannte Lage in Zaire kam
zur Eskalation, als mit hunderttausenden ruandischer und burundischer
Flüchtlinge auch die scheinbar ethnonationalen Konflikte
aus diesen Ländern importiert wurden. Dabei stellt sich die
Situation folgendermaßen dar: In Burundi versucht ein elitärer
Kreis von Batutsi, sich mehr und mehr Macht zu sichern. Das führt
zu Konflikten zwischen Bahutu und Batutsi, in deren Verlauf einige
tausend Batutsi ums Leben kommen. In der Folge greift 1972 die
Batutsi- dominierte Armee ein und ermordet über hunderttausend
Menschen. Die folgenden zwei Jahrzehnte sind geprägt von
Bürgerkrieg, Massakern und schleichendem Völkermord.
1996 verschärft sich die Lage mit einem Putsch des Batutsi-
sympathisierenden ehemaligen Präsidenten Pierre Buyoya.
Im Nachbarstaat Ruanda beginnt eine Gruppe Exilruander, die FPR,
1990 einen Bürgerkrieg. Seit Jahren aufgebaute Spannungen
entladen sich 1994 in den Völkermord an den Batutsi und im
Gegenzug in Massakern an der Bahutu- Bevölkerung. Im Juli
1994 übernimmt die Batutsi- getragene FPR unter Paul Kagame
in Ruanda die Macht.
Die aufgeladene Stimmung in ihren Heimatländern, die Furcht
vor Völkermord und Rache, die Unberechenbarkeit der Situation
veranlaßte hunderttausende Bahutu und Batutsi zur Flucht
in Nachbarländer- vor allem nach Zaire, Tansania und Uganda
. Während die meisten Batutsi nach 1994 bzw. 1996 wieder
in ihre Heimat zurückkehrten, sind viele Bahutu aus Furcht
vor Rache noch nicht dazu bereit. Auch ein anderer Aspekt ist
zu beachten: Die paramilitärischen Stammesverbände,
die Bahutu- Milizen, hatten in den Flüchtlingslagern genügend
Zeit und Gelegenheit, sich zu reorganisieren. Besonders von Mobutu
vor allem mit Waffen unterstützt, waren sie schnell wieder
schlagkräftig und begannen, die Flüchtlingslager straff
nach ihrem Muster durchzuorganisieren. Tausende rückkehrwilliger
Bahutu wurden und werden wohl in den Lagern von ihnen als Geiseln
gehalten.
In Zaire kamen die Probleme zwar nicht erst mit den Flüchtlingen
aus Ruanda und Burundi ins Land, wurden durch sie aber bedeutend
verstärkt. Mobutu, der seine eigene batutsistämmige
Bevölkerung diskriminierte und ihr die zairische Staatsangehörigkeit
aberkennen wollte, gab mit vollen Händen zairische Ausweise
an Bahutu- Flüchtlinge aus, um sich geneigte Wähler
zu verschaffen. Die reorganisierten Bahutu- Milizen stießen
immer häufiger mit den ohnehin schon überreizten Banyamulenge
zusammen. Das Flüchtlingsproblem belastete die betroffenen
Landstriche stark. Im Gefolge der "normalen" Flüchtlinge
kamen die Milizen, kam ruandisches und zairisches Militär
und requirierte Lebensmittel, Vieh usw.
Weiterhin wurde Zaire - wie schon erwähnt - von Bahutu- Milizen
als Rückzugsgebiet benutzt.
All diese Faktoren trugen dazu bei, daß auch hier schließlich
offene, gewalttätige Konflikte aufflammten.
Der
Krieg der ADFL gegen Mobutu
Dieser Konflikt reicht verhältnismäßig weit in
die Zeit zurück: Schon seit Ende der sechziger Jahre hatte
Kabila mit seiner Partei PRP aus der schwer zugänglichen
Mitumba- Bergregion am Tanganjikasee einen Kleinst- Guerillakrieg
geführt und parastaatliche Strukturen aufgebaut. Auch die
Banyamulenge wurden schon seit längerem diskriminiert.
Legt man den vierstufigen Eskalationsprozeß Jens Siegelbergs14
zugrunde, der vom Widerspruch (bei dem es nur potentiell konfliktive
Bereiche in einer Gesellschaft gibt) über die Krise (Umschlag
von Objektivität in Subjektivität, Wahrnehmung der Widersprüche)
und den Konflikt (soziale Akteure erlangen Konfliktfähigkeit
und verhalten sich konfliktiv) zum Krieg (Umschlag zum gewaltförmigen
kollektiven, organisierten Konfliktaustrag) führt, so kann
man sagen, daß zumindest Teile der beteiligten Parteien
schon seit Jahrzehnten zwischen Krise und Konflikt gestanden haben
- wenn nicht gar schon beim Konflikt angekommen waren. Durch den
Zusammenschluß von Banyamulenge und PRP mit weiteren Parteien
zur AFDL wurde ein deutlich höherer Grad an Konfliktfähigkeit
erreicht, der somit auch zu konfliktiverem Verhalten führte.
Der Verlauf des eigentlichen Krieges ist bei aller Ungewöhnlichkeit
schnell skizziert: Im völligen Gegensatz zu der üblichen
Praxis, Angriffspläne möglichst geheimzuhalten, verkündete
die AFDL den bevorstehenden Angriff auf eine Stadt Tage vorher
im Radio. Das hatte in der Regel zur Folge, daß die demoralisierte
und seit Monaten nicht bezahlte Mobutu- Armee die Stadt plünderte
und sich weitgehend kampflos zurückzog. Auf erbitterteren
Widerstand stieß die AFDL allerdings in Gebieten, die von
ruandischen Bahutu- Milizen oder angolanischen UNITA- Einheiten
gehalten werden sollten- hier stand für die Verteidiger einfach
mehr auf dem Spiel. Bezeichnend ist, daß die AFDL ein riesiges
Land wie Zaire innerhalb nur eines halben Jahres von Osten (Tanganjikasee)
nach Westen (Kinshasa) durchqueren und einnehmen konnte.
Der
Krieg der RCD gegen Kabila
Hauptmerkmal dieses Krieges ist einerseits die Geschwindigkeit,
mit der aus Verbündeten Todfeinde geworden sind, andererseits
die Sogwirkung, die er entwickelt: Ein Großteil Zentralafrikas
ist mittlerweile involviert.
Auf die Staaten, die die direkten Konfliktparteien unterstützen
sowie auf ihre Intentionen dabei wurde schon mehrfach eingegangen,
dies soll daher nicht nochmals wiederholt werden. Vielmehr soll
es an dieser Stelle um eine Darstellung und Bewertung des Konfliktverlaufes
gehen.
Der Anlaß scheint offensichtlich: Machterhaltung von Batutsi-
Politikern und Interessenwahrung Ruandas. Die Chronik der Zeitschrift
"Internationales Afrikaforum" schildert: "Eine
der wichtigsten personalpolitischen Veränderungen war die
Berufung von AFDL- Generalsekretär Deogratis Bugera, eines
Tutsi, zum Staatsminister, was für diesen faktisch eine Entmachtung
bedeutete. Er wurde im Juli als Generalsekretär der AFDL
abgelöst. Mit der Verurteilung eines weiteren Ex- Verbündeten
im Juni und der Ablösung des (ruandischen) Armeeoberbefehlshabers
durch einen Offizier aus seiner Heimat konzentrierte Kabila weiter
die Macht bei sich und stützte sich dabei vorwiegend auf
Angehörige seiner Heimatregion. Die Ausweisung der ruandischen
Soldaten Ende Juli war dann der Auslöser für den Ausbruch
der Rebellion."15 Man sieht also, daß einerseits Kabila
nach erfolgtem Sieg ebensowenig auf alte Verbündete gibt,
wie auf seine in den Medien oft beschworene Freundschaft zu dem
ugandischen Präsidenten Museveni, andererseits Uganda und
insbesondere Ruanda der AFDL in ihrem Kampf keineswegs uneigennützig
beigestanden haben, sondern vielmehr genaue Pläne hatten
und willens sind, jeden zu bekämpfen, der diese stört.
Noch vor Ausbruch dieses zweiten Krieges hat der kongloesische
Professor Nkombe Oleko folgende Einschätzung von Kabila gegeben:
"Trotz der Einflüsse Chinas, Rußlands, Großbritanniens
und der USA ist Kabila zutiefst Afrikaner geblieben. Seine Auffassung
von Macht ist afrikanisch, das bedeutet, daß alle Macht
in die Hände des Chefs gehört. Er kann sich auch nicht
vom afrikanischen Verständnis der Solidarität zu seinen
Vertrauten und Angehörigen lösen und vertraut ihnen
wichtige Regierungsämter an. Er bekundet die für afrikanische
Chefs typische Intoleranz [...]"16 Der momentane Bürgerkrieg
im Kongo ist also als Machtkampf zwischen Kabila einerseits und
einer Uganda- Ruanda- Batutsi- Clique andererseits zu begreifen.
Es geht um die Macht im Kongo, um die Hegemonie in Zentralafrika
und möglicherweise um territoriale Expansion Ruandas.
Kriegsursachen
und Hintergründe
"Stammesfehde" und "Erbfeindschaft": Die Batutsi-
Bahutu- Kriege
Um es direkt vorwegzunehmen: Der Ausdruck "Stammesfehde"
erscheint für das Geschehen im gesamten Ostafrikanischen
Zwischenseegebiet äußerst unzutreffend. Dies hat seinen
Grund zum einen darin, daß in westlichen Köpfen mit
diesem Begriff einige hundert halbnackte Krieger verknüpft
sind, die einander mit Pfeil und Bogen durch den Dschungel jagen.
In diesem Fall geht es aber um zehntausende regulär ausgebildete,
konventionell bewaffnete Soldaten, um weitere zehntausende in
paramilitärischen Verbänden und um eine siebenstellige
Zahl an Kriegsopfern und Flüchtlingen. Was hier stattfindet
ist nichts mehr und nichts weniger als Krieg. Der andere Grund
liegt darin, daß man es sich zu einfach machen würde,
würde man die Eskalation schlicht mit einer seit Jahrhunderten
aufgestauten Feindschaft erklären wollen: Schon verschiedentlich
wurde auf die identische Kultur und Vergangenheit sowie auf die
hohe gegenseitige Durchdringung von Bahutu und Batutsi eingegangen.
Die Situation erscheint eher so, daß einflußreiche
Kreise zur Durchsetzung ihrer Interessen den ethnischen Konflikt
künstlich geschaffen und funktionalisiert haben: Aus Ruanda
wird berichtet, daß nach einem Pogrom an der Batutsi- Minderheit
die Opfer "zufällig" durchweg Vertreter der politischen
Opposition waren. Schürings beschreibt hierzu: "Von
den Radikalen wie auch in den Medien werden rassistische Stereotype,
die aus Theorien des letzten Jahrhunderts stammen, verbreitet,
und die Geschichte wird so geschrieben, wie sie gerade ins politische
Kalkül paßt.[...] Konflikte zwischen den Gruppen beruhen
auf ökonomischen Zwängen und besonders auf der Gier
nach Macht und Reichtum kleiner Minderheiten, die Öl ins
Feuer gießen."17 Auch der Entwicklungsforscher Prof.
Dr. Bernd Wiese betont: "Die meisten Analysen sind sich heute
darin einig, daß es sich nicht - wie in den Medien oft betont-
um einen Stammeskrieg handelte. Vielmehr geht man davon aus, daß
es sich um die systematische, vorbereitete Ermordung aller gemäßigten
und auf Verständigung drängenden Kräfte in Ruanda
handelte, um die Nutzung eines Haßpotentials, das durch
die Medien seit längerem geschürt worden war."18
Und schließlich zieht der SPIEGEL Bilanz: "Was in aller
Welt eine "Erbfeindschaft" zwischen Hutu und Tutsi genannt
wird, hat reale wirtschaftliche und politische Hintergründe:
Verteilungskämpfe um knapper werdendes Land aufgrund von
Bevölkerungswachstum und Bodenerosion bringen in Afrika Menschen
gegeneinander auf, die über Epochen einigermaßen friedlich
miteinander gelebt hatten. Denn in dem Maße, "wie der
Bevölkerungsdruck wächst und lokale Ressourcen knapper
werden, besinnen sich Menschen zu ihrem Schutz auf ethnische und
religiöse Gemeinschaften"(so das Washingtoner Worldwatch
Institute)"19
Es kann also gesagt werden, daß das, was nach außen
so sehr nach "Stammeskrieg" aussieht, tatsächlich
eine Funktionalisierung von Ethno- Nationalismen ist, die jedenfalls
dazu dienen soll, eine elitäre Clique an der Macht zu halten,
möglicherweise sogar zum Machtausbau durch Expansion unter
dem Mantel eines Batutsi- Reiches, dessen Grenzen neu festzulegen
sind.
Kabila:
Der sozialistische Revolutionär?
Kabila war Lumumba- Mitstreiter. Kabila hat mit anderen 1964 eine
"Volksrepublik Kongo" ausgerufen. Kabila hat in der
VR China an einer Militärakademie studiert. Kabila hat eine
"Parti de la Révolution Populaire" gegründet.
Kabila hat mit dem legendären Che Guevara zusammen gekämpft.
Kabila wird von der angolanischen MPLA unterstützt. Ist Kabila
Kommunist, war der Bürgerkrieg gar eine sozialistische Revolution?
Nein.
Kabila mag eine Zeitlang für antiimperialistische und sozialistische
Ziele gekämpft haben, mittlerweile ist er allerdings beim
Neoliberalismus angekommen. Jörn Schulz schildert: "Da
niemand mehr die Ausplünderung durch Mobutus Soldateska fürchten
muß, ist das wirtschaftliche Leben wieder in Gang gekommen.
Von den gemeinschaftlichen Wirtschaftsformen, die Kabilas Guerilla
noch in den 80er Jahren praktizierte, ist dabei keine Rede mehr.
Mittlerweile vertritt Kabila [...] eine prokapitalistische Orientierung
der wirtschaftlichen Öffnung."20 Etwas anderes zu vertreten
würde Kabila auch schlecht anstehen, haben die USA seinen
Vormarsch doch beträchtlich gefördert und unterstützt
- und wollen nun auch wirtschaftlich davon profitieren. Dabei
werden klare Worte gesprochen. Schulz: "Gegenüber Newsweek
erklärte der US- Diplomat Richardson, er habe Kabila von
den Segnungen des freien Marktes überzeugen können:
"Obwohl er immer noch von großangelegten öffentlichen
Arbeiten sprach, glaube ich, daß er pragmatisch ist und
die Notwendigkeiten einer modernen, offenen Wirtschaft erkennen
wird." Es geht, wie dieses Zitat andeutet, weniger um die
Frage des Wirtschaftssystems [...] als um die Frage der wirtschaftlichen
Unabhängigkeit und der Exportorientierung, um die Rolle des
öffentlichen Sektors und die Öffnung für ausländische
Waren und ausländisches Kapital. Hier spricht die bisherige
Praxis dafür, daß die AFDL eher den Geboten des Neoliberalismus
folgen wird als denen Lumumbas."21 Auch Kabilas schon angesprochenes
"afrikanisches Machtverständnis" will sich nicht
so recht in Einklang mit kommunistischen Ideen bringen lassen.
Wer
unterstützt wen warum?
Der Versuch, diese Frage zu beantworten, ist im Ansatz schon bei
der Aufzählung der verschiedenen Interessensphären unternommen
worden. Daher wird das schon gesagte hier nur nochmals in Stichpunkten
zusammengefaßt und gegebenenfalls ergänzt.
Mobutu bezog anfangs seine Unterstützung von der westlichen
Welt im allgemeinen und den USA im besonderen, weil man sich von
ihm eine Vorpostenfunktion gegen das Gespenst Kommunismus versprach.
Ganz im Sinne der US- amerikanischen Roll- Back- Politik wurde
er zunächst an die Macht gebracht und dann militärisch
und wirtschaftlich nach Kräften unterstützt. Belgien
und insbesondere Frankreich unterstützten seine Herrschaft
auch mit Blick auf die kulturelle Seite.
Nach dem Ende des Kalten Krieges verlor Mobutu an Bedeutung. Mit
der kommunistischen Bedrohung war seine eigentliche Funktion,
aufgrund der er sich einige Freiheiten erlauben konnte, abhanden
gekommen. Und unter dem wirtschaftlichen Aspekt versprach Kabila
gerade für die USA in Zukunft der weit lohnendere Partner
zu sein als der kleptokratische Mobutu. Somit wurde dem einen
die Unterstützung entzogen, der andere erhielt sie. Die angolanische
UNITA unterstützte Mobutu, weil sie sein Territorium als
Rückzugsraum benötigte. Aus demselben Grund kämpften
auch die ruandischen und burundischen Bahutu- Milizen für
ihn.
Kabila wurde aus den genannten Gründen von den USA unterstützt,
von Uganda, Ruanda und Burundi hingegen, weil diese sich der von
Zaire aus operierenden Milizen entledigen wollten. Möglicherweise
haben im Fall Ruanda auch expansionistische Erwägungen eine
Rolle gespielt. Die angolanische MLPA kämpfte wohl eher aus
innenpolitischen Gründen (Schließung der UNITA- Rückzugsräume)
für Kabila als aus möglicherweise vorhandenem ideologischen
Nähegefühl.
Nachdem Kabila nach seinem Sieg die Macht im wesentlichen auf
sich konzentriert hatte - was mit Machtbeschneidungen einflußreicher
Batutsi- Führer einherging - erhob sich im Osten des Landes
eine im wesentlichen aus Batutsi bestehende Guerilla gegen den
Ex- Guerillero. Hier wechselten Uganda, Ruanda und Burundi die
Seiten und unterstützten die Rebellen gegen ihren ehemaligen
Verbündeten. Der Schluß liegt nahe, daß hier
tatsächlich expansionistische Planungen (etwa für ein
auf einer Berlin- II- Konferenz festzulegendes Batutsi- Großreich)
eine Rolle spielten.
In diesem Konflikt wird Kabila weiterhin von Angola unterstützt,
ferner vom Tschad und Simbabwe, die Ihre Armee beschäftigen
(und finanzieren!) lassen müssen, und vom Sudan, der - wie
Angola - oppositionellen Kampfeinheiten die Rückzugsräume
verbauen will.
VI
Zusammenfassung
Die Ursachen des Krieges im Kongo liegen, zitiert man das "Internationale
Handbuch" in der "von Mobutu blockierten Demokratisierung
und seiner Herrschaftsform der "Kleptokratie", die das
Land in den Ruin und die Bevölkerung in Armut und Not getrieben
hatte"22. Musevenis Erklärung ist ähnlich und sei
daher nochmals zitiert: "Der wahre Grund für den Krieg
sind Armut, die mageren Ressourcen, vor allem aber die unterentwickelte
Struktur der afrikanischen Gesellschaft". Hier liegen sozusagen
die Grundübel, nach Siegelberg also der Widerspruch, die
"potentiell konfliktiven Bereiche in einer Gesellschaft".
Die Stufe der Krise wird für die einen erreicht durch fortschreitende
Verschärfung dieser Widersprüche durch Mobutu, für
die anderen durch Funktionalisierung eines ethno- nationalistischen
Konfliktpotentials. Es ist also, auch und gerade im Bahutu- Batutsi-
Konflikt, um mit Matthies zu sprechen "nicht die behauptete
oder wahrgenommene ethnisch- kulturelle Andersartigkeit als solche
[...] der wesentliche Grund für gewaltsames Gruppenhandeln,
sondern deren Verbindung mit politischen, ökonomischen und
sozialen Faktoren der Benachteiligung, Ausgrenzung und existenziellen
Bedrohung."23 Konfliktfähigkeit erhalten die Gruppen
durch das Eingreifen weiterer Mächte (Insbesondere der USA,
aber auch Ruandas, Ugandas, Angolas usw.), die sich von der Unterstützung
einer Konfliktpartei Vorteile versprechen - seien dies nun wirtschaftliche
(USA), territoriale (Ruanda), machtpolitische (Uganda) oder strategische
(Angola). Die fortgesetzte Verdichtung der Widersprüche führt
schließlich zum Krieg. Nach dem Sieg der AFDL werden mit
der Entmachtung der Personen, die Ruanda und Uganda als Garant
für ihre Interessen gesehen haben, in kürzester Zeit
die Punkte Widerspruch (der latent vorhanden war), Krise und Konflikt
abgehandelt, die strategischen Konstellationen umgruppiert und
erneut ein Krieg geführt.
Man kann also sagen, die Kriegsursachen lagen in den strukturellen
Problemen Zaires, deren wesentlichste Armut, Hunger, Bodenerosion,
Kleptokratie und Korruption waren. Diese Probleme wurden verdichtet
durch den Zustrom der ruandischen und burundischen Flüchtlinge
und die geplante Vertreibung der Banyamulenge. Somit sind diese
Punkte als Kriegsauslöser zu betrachten. Begünstigende
Faktoren waren die Interessen verschiedener Staaten, die sie veranlaßten,
die eine oder andere Kriegspartei zu unterstützen.